Leseprobe Ausgabe 3/16 »Wien und die Islamische Welt«

Auszug aus dem Artikel

»… ein Capitel aus Tausend und einer Nacht«

von Carles Batlle i Enrich

Das Kerngebiet des Islam fasziniert die Europäer seit Jahrhunderten und wurde Ziel von zahlreichen Reisen. Kaiser, Prinzen, Botschafter, Wissenschafter und Abenteurer brachten aus diesen Gebieten wertvolle Erfahrungen und Erinnerungsstücke mit.

Im Falle der Habsburgermonarchie waren die Beziehungen seit der Renaissance sehr fruchtbar, gleichzeitig aber von drohenden und geführten Kriegen begleitet. Die Tatsache, dass das Heilige Land, das alte Konstantinopel und – seit der napoleonischen Eroberung – Ägypten eine große Anziehungskraft besaßen, intensivierte die Kontakte zum Islam. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der Ära Kaiser Franz Josephs, finden die freundschaftlichen Beziehungen zum Osmanischen Reich ihren Niederschlag in vielen Reisen von Mitgliedern des Kaiserhauses und in wissenschaftlichen Expeditionen. Als Folge gelangt eine Serie von teilweise sehr wertvollen Objekten in Museen und Residenzen der oberen Gesellschaft, sie weckt aber auch das Interesse des einfachen Volkes. Aus der großen Fülle der Reisen seien im Folgenden ein paar herausragende Beispiele erwähnt.


Die Orientreisen der Habsburger
in der franzisko-josephinischen Ära

Kaiser Franz Joseph I. (reg. 1848 – 1916) hat in seinem langen Leben etliche Reisen unternommen, hauptsächlich um in den verschiedensten Winkeln der großen Monarchie Präsenz zu zeigen oder auf der Suche nach seiner kaum in Wien weilenden Gattin. Aber eine Reise sticht aus der Liste hervor, eine Fahrt, die über drei Kontinente führte: die Reise zur Eröffnung des Suezkanals im Herbst des Jahres 1869. »Beschreiben kann ich nicht, was ich sehe und empfinde«, teilte er Elisabeth aus Konstantinopel mit. Die Reise hatte mit einem Besuch bei Sultan Abdülaziz (reg. 1861 – 1876) begonnen. Dieser war der erste osmanische Herrscher, der Europa einen Besuch abgestattet hatte. Beeinflusst vom proeuropäischen Großwesir (und Freimaurer) Mehmed Emin Ali Pascha, reiste der Sultan zur Pariser Weltausstellung 1867. Neben Paris stand auch Wien auf dem Programm. Somit war die Reise nach Suez die ideale Möglichkeit, um den Gegenbesuch zu organisieren. Der Sultan schickte sogar seine Yacht zum Schwarzen Meer, um den Kaiser abzuholen. Umfangreiche Besichtigungsprogramme (auch auf asiatischem Boden), Militärparaden und verschiedene Zeremonien fanden statt. Diese Kontakte zwischen Kaiser und Sultan haben Aktivitäten österreichischer Firmen im Osmanischen Reich – allen voran Banken, Versicherungen und Reedereien – verstärkt.

Die nächste und für den Kaiser eindrucksvollste Station der Reise war Palästina. Obwohl fast alle Seewege von hohem Wellengang begleitet wurden, war gerade das Heilige Land für den frommen Katholiken (und dem Titel nach König von Jerusalem) Franz Joseph eine unvergessliche Erfahrung. In Jaffa ging die Gesellschaft an Land. Dort hatte der Sultan eine riesige (und teure) Karawane zum Schutz des hohen Gastes organisiert, da die Gegend von räuberischen Beduinen bedroht wurde. Die Kommunion beim Heiligen Grab zu empfangen und den Jordan und das Tote Meer zu erblicken, hat ihn zutiefst berührt. Bei der erneuten Einschiffung in Jaffa war die See allerdings so stürmisch, dass Lebensgefahr für den Kaiser bestand. Endlich in Port Said angekommen, wurde der Kaiser von Ismail Pascha empfangen, der von den Osmanen 1867 zum Vizekönig erhoben worden war. Dort traf er mit der französischen Kaiserin Eugénie zusammen, und die dreitägigen Feierlichkeiten zur Eröffnung des Suezkanals konnten beginnen. Mit Nilfahrten, tanzenden Derwischen und Bällen wurden die Gäste unterhalten. Danach kam er nach Kairo als Gast des Vizekönigs und wurde am letzten Tag zur Cheops-Pyramide geführt, welche er in nur etwas mehr als einer Viertelstunde bestieg. Der geübte Bergsteiger konnte damit seine Kondition unter Beweis stellen. 

Von Alexandria ging es per Schiff über Kreta und Korfu zurück nach Piran und dann weiter nach Wien, wo der Kaiser am 6. Dezember ankam. Diese Reise und ihr mediales Echo bedeuteten nicht nur eine positive Erfahrung für den Kaiser, sondern auch – nach den Niederlagen der Jahre 1859 und 1866 – eine Genugtuung auf internationaler Ebene. 

Die Leben dreier weiterer Habsburger, von denen hier die Rede sein wird, endeten auf tragische Weise 

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Titelseite der ersten Ausgabe mit Kaiser Franz Joseph I.
Inhaltsverzeichnis der dritten Ausgabe

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