Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Upstairs, Downstairs – 2 Welten in einem Palais«

von Katharina Trost

Wie der Adel einst lebte, lassen die prächtigen Palais Wiens noch heute erahnen. Wie aber erging es der großen Schar an Bediensteten, die dafür sorgte, dass es der Herrschaft an nichts fehlte?

Wie sah in Wien die Hierarchie in einem Adelspalais aus? Der Haushalt gliederte sich selbstverständlich streng patriarchalisch, der Herr des Hauses war Vorstand über alle, an seiner Seite, aber ihm dennoch untergeordnet, stand seine Gattin. Neben den Kindern des Ehepaares lebten manchmal auch ledige oder verwitwete (meist weibliche) Familienangehörige in den prunkvoll ausgestatteten Wohnungen, die entweder neben den repräsentativen Bel-Etage-Räumen oder auch darüber lagen.

Unter demselben Dach, aber doch in einer anderen Welt waren die Dienstboten untergebracht. Je nach Stellung befanden sich ihre Zimmer im letzten Stockwerk des Palais, zu dem eine eigene Dienstbotenstiege führte, oder sie schliefen direkt neben der Küche oder über dem Stall.

Während es im Mittelalter am Land noch üblich war, dass die Herrschaft und das Gesinde an einem landwirtschaftlichen Hof zum Essen gemeinsam am Tisch saßen, war dies in der Stadt ab der Neuzeit undenkbar. Es herrschte eine strikte Trennung. Gleichzeitig war Personal als Zeichen der Repräsentation unerlässlich. Auch bürgerliche Familien beschäftigten Dienstboten, aber hier musste meist ein »Mädchen für alles« herhalten. In einem Palais hingegen gab es eine eigene Hierarchie sowie seit dem 19. Jahrhundert auch genau definierte Aufgabenbereiche. An der Spitze stand der Kammerherr – in England erfüllte diese Funktion der Butler. Er hatte Zutritt zu den Zimmern des Hausherrn, half diesem beim Ankleiden, sorgte sich um sein persönliches Wohlbefinden und übernahm oft auch die Rolle eines Sekretärs. Der weibliche Gegenpart war die Hausdame (»Mamsell«), die auch meist die Schlüssel zur Speisekammer verwahrte. Bei der Toilette der Dame des Hauses half eine Zofe (auch Kammerjungfer genannt). Wünschenswert war, wenn sie auch andere Talente hatte, zum Beispiel Geschick beim Aufputzen von Hüten oder als Friseurin. Je nach Alter der Kinder gab es im Haus auch eine Amme (zum Stillen), ein Kindermädchen (manchmal findet sich auch der Ausdruck Bonne vom Französischen »die Gute«) sowie Hauslehrer, Erzieher und Gouvernante, da der adelige Nachwuchs stets daheim unterrichtet wurde. Als Reinigungspersonal gab es Stubenmädchen, Waschweiber, Zimmer- und Stiefelputzer. Eine Köchin, unterstützt von mindestens einer Küchenmagd, zauberte feine Speisen, die von Hausdienern in Livree serviert wurden. Um die Pferde kümmerten sich Reitknecht, Kutscher und Stallburschen, im Zeitalter des Automobils kam dann noch ein Chauffeur dazu. Der Hausknecht stand auf der untersten Stufe der Rangordnung und war für schwere Arbeiten, wie etwa das Einheizen der Kamine und das Holen von Wasser, zuständig. Ihm zur Seite stand die Magd oder das Dienstmädchen.

In der Residenzstadt Wien war die Zahl der Hausangestellten enorm und machte etwa im Vormärz 45 Prozent der Wohnbevölkerung aus. Für den Fürsten Liechtenstein allein arbeiteten 76 Domestiken.

Eine Mehrzahl der Dienstboten waren Frauen, um 1900 waren es sogar 97 Prozent. Die meisten kamen als sehr junge Mädchen aus kinderreichen Familien vom Land – viele aus Böhmen, Mähren oder der Slowakei. Vermittelt wurden die Dienstboten ursprünglich von Gesindemäklern, denen der zukünftige Arbeitgeber eine Provision zahlen musste. Im Jahr 1707 gründete Kaiser Joseph I. das Fragamt, das neben der Erteilung von Auskünften auch offene Stellen besetzte. Übrigens widmeten sich auch die allerersten Zeitungsannoncen dem Angebot und der Nachfrage nach verlässlichem Personal.

Die Arbeitssuchenden erhielten von der zuständigen Polizeibehörde ein Dienstbuch, das neben persönlichen Angaben auch Zeugnisse beinhaltete und daher von enormer Bedeutung war. Eine schlechte Beurteilung konnte existenzbedrohend sein, sodass viele das ungeliebte Dokument »verloren«.

Die Arbeitsbedingungen waren hart: Für Kost, Logis und einen geringen Lohn mussten die Menschen bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten, hatten selten Ausgang und keinen Anspruch auf Urlaub oder Altersfürsorge. Eine richtige Krankenversicherung gab es ebenfalls nicht. Es lag am Wohlwollen der Herrschaft, ob die Kosten für eine Behandlung übernommen wurden oder sie gleich die Kündigung aussprach. Soziale Hilfe boten wenige private oder kirchliche Wohltätigkeitseinrichtungen wie das von Laurenz Hieß (1736 – 1819) gestiftete »Armenversorgungshaus für weibliche Dienstboten« in der Rochusgasse 8 im heutigen dritten Bezirk oder der »Christliche Verband der weiblichen Hausbediensteten« in der Kurrentgasse 2 im heutigen ersten Bezirk.

Generell galt eine Anstellung in einem adeligen Haushalt als erstrebenswert, schon durch die Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Hierarchie und die spezialisierten Zuständigkeiten. Gerade in den oberen Diensträngen war Loyalität die höchste Tugend, und es kam zu langfristigen beruflichen Bindungen, die über die klassische Lohnarbeit hinausgingen.

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Titelseite der ersten Ausgabe mit Kaiser Franz Joseph I.
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