Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Vom Ursprung bis ins Mittelalter«

von Christa Bauer

Die ältesten derzeit bekannten Musikinstrumente sind rund 40 000 Jahre alte Flöten aus Flügelknochen von Schwänen oder Geiern, die man im Süden Deutschlands entdeckte. Auch auf heutigem österreichischem Gebiet weisen Knochenstücke aus der Altsteinzeit darauf hin, dass unsere Urahnen bereits Instrumente zum Musizieren verwendet haben dürften. Musikforscher sind aber überzeugt, dass es einfachere Methoden wie Singen, Zungenschnalzen und Klatschen viel früher gegeben hat, denn immerhin verfügte der Homo sapiens, der vor rund 300 000 Jahren auf der Bildfläche erschien, über eine entsprechende anatomische Ausstattung. In vielen Mythologien wird der göttliche Ursprung der Musik hervorgehoben. In der griechischen Sagenwelt war es zum Beispiel der Götterbote Hermes: Das Wunderkind soll bereits am Tag seiner Geburt eine Leier erfunden haben, für deren Resonanzkörper es den Panzer einer Schildkröte verwendete. Mit diesem Instrument besänftigte Hermes später seinen wütenden Halbbruder Apoll, dem er eine seiner Rinderherden gestohlen hatte. Apoll war vom Klang des Instruments so hingerissen, dass er sich nicht nur wieder beruhigte, sondern sein Vieh gegen das begehrte Objekt eintauschte. In der heutigen Forschung geht man davon aus, dass Musikinstrumente eher zufällig erfunden wurden oder sich aus Nutzobjekten entwickelten. Ein Beispiel dafür sind die »Phalangenpfeifen«, die man im Jungpaläolithikum zum Anlocken von Wildtieren bei der Jagd verwendete. Aber auch andere frühe Instrumente sind bekannt, wie Gefäßrasseln aus mit Samenkörnern befüllten Kürbissen, Blasinstrumente aus Tierhörnern oder die aus Stein gefertigten »Litophone«. Im Neolithikum kamen komplexere Instrumente auf. Dazu zählen etwa Tontrommeln, deren Reste man in der Nähe von St. Pölten gefunden hat, oder »Gefäßflöten« aus Perchtoldsdorf. In der Bronze- und Eisenzeit bereicherte man die Musikwelt mit metallenen Glöckchen, Schellen und Rasseln. Zu dieser Zeit kannte man im Wiener Raum bereits Leiern nach dem griechischen Vorbild, wie entsprechende Funde beweisen. Über die Musik der Kelten, die ab 400 v. Chr. den Wiener Raum besiedelten, ist zwar kaum etwas bekannt, aber Darstellungen auf Ton- und Bronzegefäßen beweisen, dass auch sie Saiten- und Blasinstrumente benützten, darunter Panflöten oder die »Karnyx«, eine Trompete aus Bronze, die meist bei Kriegszügen eingesetzt wurde. Wesentlich besser dokumentiert ist die Musikgeschichte aus der römischen Zeit. Im Jahre 15 v. Chr. wurde das Königreich Noricum – und damit auch Wien, von den Römern Vindobona genannt – als gleichnamige Provinz dem römischen Imperium einverleibt. Vermutlich gab es im Wiener Raum schon davor Einflüsse der hochstehenden Musikkultur der Römer, aber ab nun kann dies als gesichert angenommen werden, da die Musik im römischen Leben eine enorm hohe Bedeutung hatte. Die Römer verwendeten besonders gerne die Kithara, die der Leier ähnelte, aber aufwändiger gestaltet war und wesentlich mehr Virtuosität des Künstlers erforderte. Funde aus Carnuntum bestätigen, dass dieses Instrument auch bei uns bekannt war, und sogar der Name eines Kitharaspielers ist bekannt: Ein Sklave namens Niclas, der in Vindobona lebte. Die Römer verfügten über viele andere Musikinstrumente, wie etwa eine Wasserorgel, die schon im 3. Jh. v. Chr. von Ktesibios, einem Ingenieur aus Alexandrien, erfunden worden war. Musik wurde nicht nur im zivilen Bereich eingesetzt, sondern auch im militärischen, wie etwa der »Classicum« (Marsch) oder der »Barritus« (Schlachtgesang). Nicht zu vergessen ist der Einsatz von Musik bei den diversen Theateraufführungen oder bei den Gelagen als Tafelmusik, und getanzt haben die Römer auch schon. Einen wichtigen Stellenwert hatte Musik zu kultischen Zwecken – nicht nur bei den Römern, sondern auch bei den frühen Christen, die im Wiener Raum spätestens seit dem 2. Jh. n. Chr. siedelten.

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