Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

Verlobung mit Überraschungseffekt

von Christa Bauer

Eigentlich sollte Elisabeths ältere Schwester Helene Kaiserin von Österreich werden.
Doch es kam anders als geplant. 

Schon seit geraumer Zeit war Erzherzogin Sophie auf der Suche nach einer geeigneten Braut für ihren Sohn, Kaiser Franz Joseph von Österreich (1830 – 1916). Die Zeit drängte, denn nach einigen harmlosen Abenteuern hatte er sich ernsthaft verliebt, und zwar in die attraktive und kluge Erzherzogin Elisabeth aus der ungarischen Linie der Habsburger. Die Ungarn konnte Sophie seit deren Aufstand von 1848 aber nicht einmal dann leiden, wenn sie aus der eigenen Familie kamen. Außerdem war Elisabeth verwitwet und Mutter einer Tochter, für den österreichischen Kaiser kam aber natürlich nur eine unberührte Frau in Frage. 

Sophie schickte ihren Sohn daher auf Brautschau nach Berlin, die Preußen ließen ihn jedoch abblitzen, da man an einer Verbindung mit dem Hause Habsburg kein Interesse hatte. Die nächste Kandidatin war Prinzessin Sidonie von Sachsen, aber Franz Joseph fand sie hässlich und ergriff umgehend die Flucht. 

Nun erinnerte sich Sophie an ihre bayrische Verwandtschaft: Die älteste Tochter ihrer Schwester Ludovika namens Helene (1834 – 1890), genannt Nené, schien ihr geeignet. Sie war nicht so hübsch wie ihre jüngeren Schwestern, aber fromm und ernsthaft. Außerdem hatte sie eine halbwegs gute Erziehung genossen, nicht selbstverständlich bei Ludovikas Kindern, denen ihr Vater, Herzog Max in Bayern, ein überaus schlechtes Vorbild bot. Sophie konnte ihren saufenden und jodelnden Schwager nicht ausstehen, der nicht einmal standesgemäß war. Aber Franz Joseph brauchte eine Ehefrau, also musste über manche Mängel hinweggesehen werden.

Sophie und Ludovika beschlossen, Helene und Franz Joseph anlässlich des 23. Geburtstags des Kaisers am 18. August 1853 in Bad Ischl zusammen zu bringen. Helene wurde sorgfältig vorbereitet: Sie bekam eine komplett neue Garderobe und umfassenden Unterricht. Vor allem hatte sie ihr Französisch aufzupolieren, dazu kamen Tanzstunden und das richtige Gehen – würdevolles Schreiten war angesagt statt des bisherigen ungezwungenen Herumlaufens. Nené lernte Tag und Nacht, um den hohen Anforderungen zu entsprechen. Die jüngere Elisabeth nahm manchmal aus Zuneigung zu ihrer Schwester an den Unterrichtsstunden teil, störte aber meistens, weil sie lieber reiten ging, anstatt gezierte Tanzschritte zu üben.

Herzog Max lehnte die Einladung nach Bad Ischl vehement ab, denn die Abneigung zwischen ihm und Sophie beruhte auf Gegenseitigkeit. Also beschloss Ludovika, Elisabeth mitzunehmen, die ihrer älteren Schwester sehr nahestand. Sophie hatte nichts dagegen. Schon bei früheren Familientreffen war ihr aufgefallen, wie gut sich ihr Sohn Karl Ludwig mit seiner Cousine verstand, und wer weiß – vielleicht brauchte man ja auch für ihn bald eine passende Braut. 

Sophie traf am 14. August mit Franz Joseph und ihren jüngeren Söhnen Karl Ludwig und Ludwig Viktor in Bad Ischl ein, sie stiegen im Seeauerhaus ab. Am 16. August kam Ludovika mit Helene und Elisabeth an, sie nahmen im Grand Hotel Tallachini (heute Residenz Elisabeth) Quartier. Sie waren verspätet, da Ludovika die Reise wegen einer schweren Migräne unterbrochen hatte. Bei ihrer Ankunft mussten sie außerdem feststellen, dass ihre Koffer fehlten, sie konnten sich vor dem ersten Treffen nicht einmal umkleiden. Dies war doppelt unangenehm, denn wegen eines Trauerfalls in der Familie trugen die Damen schwarz, was die ernste Helene noch strenger wirken ließ. 

Die Stimmung beim ersten Familientreffen war locker, nur die hochgradig nervöse Helene blieb auffallend still. Die unbekümmerte Elisabeth dagegen plapperte zwanglos dahin, für sie stand ja nichts auf dem Spiel. Karl Ludwig war der erste, dem auffiel, dass der Kaiser ihr wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenkte als der älteren Schwester. Bald war das auch Sophie klar: »In dem Augenblick, als der Kaiser Sissy erblickte, erschien ein Ausdruck so großer Befriedigung in seinem Gesicht, daß man nicht mehr zweifeln konnte, auf wen seine Wahl fallen würde. Die liebe Kleine ahnte nichts von dem tiefen Eindruck, den sie auf Franzi gemacht hatte«, schreibt sie an ihre Schwester Marie. Schon am nächsten Tag teilte Franz Joseph seiner Mutter mit, dass er sich unsterblich in Elisabeth verliebt hatte. 

Beim Ball am Abend des 17. August bezauberte Elisabeth den Kaiser noch mehr. Sophie schreibt: »Sissy sah entzückend aus. Die Haltung der Kleinen ist so anmutsvoll, so bescheiden, so untadelig, so graziös, ja beinahe demutsvoll, wenn sie mit dem Kaiser tanzt. Sie war wie eine Rosenknospe, die sich unter dem Strahlen der Sonne entfaltet, als sie mit dem Kaiser beim Kotillon saß. Sie erschien mir so anziehend, so kindlich bescheiden und doch ihm gegenüber ganz unbefangen.« 

Auf Franz Josephs Wunsch hin sollte Ludovika ihre Tochter fragen, ob »sie ihn haben wolle, aber ohne Druck auf sie auszuüben.« Die 15-jährige Prinzessin antwortete ihrer Mutter: »Wie sollte man den Mann nicht lieben können?« Dann brach sie in Tränen aus und meinte: »Wie kann er nur an mich denken? Ich bin ja so unbedeutend.« Sie äußerte aber auch Bedenken: »Ich hab den Kaiser so lieb. Wenn er nur kein Kaiser wäre!« 

Am 19. August fand die Verlobung im Seeauerhaus statt. Die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer, unzählige Gratulationstelegramme trafen ein. Als das Paar von einem Ausflug in den Ort zurückkam, hatten die Einwohner von Bad Ischl eine reizende Überraschung vorbereitet: Auf dem Siriuskogel konnte man die erleuchteten Buchstaben »FJ« und »E« sehen, umgeben von einem Brautkranz, der ganze Ort war hell mit Kerzen erleuchtet. Elisabeth fand keineswegs Gefallen an der Aufmerksamkeit, die ihr nun zuteil wurde. Im Gegenteil, es »genierte« sie geradezu. 

Zwar hätte Sophie die reifere Helene als Schwiegertochter bevorzugt, dennoch freute sie sich von ganzem Herzen über das Glück ihres Sohnes, wie sie in einem weiteren Brief an Marie schreibt: »Du kannst Dir wohl denken, daß meine Augen auch beschäftigt sind, Sissy zu betrachten und sie ruhen mit Wonne auf diesem so glücklichen Paar, das sich so liebt und auf so reizende Art; es ist eine Augenweide, das Glück und die Harmonie zu sehen, die aus ihnen strahlt. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie reizend Sissy ist. Ich hörte, wie der Kaiser zu Sissy sagte: ›Ich kann Dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin!‹ Und da war ich es mit ihm auch ganz unaussprechlich.« 

Sophie kaufte für das Brautpaar die Villa Eltz in Bad Ischl, die heutige Kaiservilla, die sie umfassend renovieren ließ. 

Die nächsten Tage verbrachte die Familie mit Bällen und Festen, und Franz Joseph ging regelmäßig auf die Jagd. Zwar teilte Elisabeth seine Liebe zur Natur und schloss sich gemeinsamen Wanderungen an, für die Jagd hatte sie allerdings aus Mitleid mit den Tieren zu dieser Zeit noch nicht sehr viel übrig.

Um die verschmähte Helene kümmerte sich kaum jemand, dabei muss es eine Qual für sie gewesen sein, trotz der mitleidigen Blicke Haltung zu bewahren. Aber sie schaffte es, und auf die Beziehung zu ihrer kleinen Schwester sollte der Vorfall ebenfalls keine nachhaltige Auswirkung haben. 

Am 31. August musste sich das Paar vorerst trennen, der Hochzeitstermin wurde für den 24. April 1854 festgelegt. Die Verliebten pflegten einen intensiven Briefwechsel, außerdem reiste Franz Joseph dreimal nach Bayern, um Elisabeth zu sehen. 

Elisabeth wurde nun einem intensiven Lernprogramm unterzogen, verbesserte ihr Französisch, lernte Italienisch und die Geschichte Österreichs. Ihr Geschichtslehrer war ein Ungar namens Johann Graf Mailáth, der in ihr das Interesse für sein Land weckte.

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