Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Schlechtes Wetter für eine so, so weite Reise«

von Katharina Trost

Das Regieren war Maria Theresia in den letzten Jahren zunehmend schwerer gefallen. Ihr anfangs unendlicher Tatendrang verließ sie ebenso wie ihre Entschlossenheit. Auch die ständigen Konflikte mit ihrem Sohn und Mitregenten Joseph II. zermürbten sie. Das Alter hinterließ an dieser robusten Frau auch körperliche Spuren. Ihr Zweitältester Leopold beschrieb den Gesundheitszustand seiner Mutter nach einem Besuch im Jahr 1778 in Wien folgendermaßen: Sie fange schon an, »infolge ihres Alters und auch ihrer Beleibtheit mit großer Schwierigkeit zu gehen; sie atmet sofort sehr schwer, sobald sie geht oder sich bewegt, und da sie sich dessen schämt und sehr rasch zu gehen sucht, wird ihre Laune immer schlechter und ihre Stimmung niedergeschlagen. Ihr Gedächtnis hat sehr nachgelassen und sie erinnert sich nicht mehr an viele Dinge und gegebene Befehle und häufig wiederholt sie sich und daraus entsteht viel Verwirrung. Sie beginnt etwas schwerhörig zu werden. Sie macht sich über viele Dinge Skrupel und misstraut ständig sich selbst und allen anderen. Sie freut sich nie über etwas und ist ständig allein und melancholisch, da sie nie Gesellschaft hat und über alles vergrämt ist.«

Ihr angesprochenes Übergewicht machte jede Bewegung zur Kraftanstrengung, die sie tunlichst vermied. Hinzu kamen Hitzewallungen und »Lufthunger«. Die heißen Sommer verbrachte Maria Theresia daher bevorzugt in den mit exotischen Landschaftsmalereien ausgestatteten Bergl-Zimmern im Erdgeschoß von Schloss Schönbrunn, durch die bei offenen Fenstern immer eine frische Brise wehen konnte.

Ein herbstlicher Aufenthalt in ihrer Lieblingsresidenz wurde ihr allerdings zum schicksalshaften Verhängnis: Bei einer Fasanenjagd im kleinen Familienkreis Anfang November 1780 durchnässte ein überraschender Regenguss die als Zuseherin anwesende Monarchin. Die Folge war eine fiebrige Erkältung, zu der sich schließlich ein bösartiger Husten mit Krämpfen und Atemnot gesellte. Am 26. November spürte Maria Theresia ihr Ende nahen und verlangte nach den Sterbesakramenten. Besorgt versammelten sich in den folgenden Tagen viele Familienmitglieder, darunter auch Joseph II., in ihrem Schlafzimmer im Leopoldinischen Trakt der Hofburg. Als die Mutter nach Frischluft verlangte, öffnete er das Fenster. Beim Anblick der nasskalten Witterung stellte Maria Theresia traurig fest: »Schlechtes Wetter für eine so, so weite Reise.« Alle Medikamente ihres Leibarztes Anton Störck, die ihr Leben künstlich verlängern oder auch nur die Schmerzen stillen sollten, lehnte die Dreiundsechzigjährige entschieden ab: »Ich will nicht mit dem Tod um einige Minuten handeln. Ich bin bereit, er sei mir willkommen.« Am 29. November 1780 gegen neun Uhr abends war es dann so weit. Nach vier Jahrzehnten auf dem Thron schlief Maria Theresia – eingehüllt in einem Morgenmantel ihres Mannes – in einem Lehnstuhl für immer ein. Zuvor hatte ihr Sohn noch versucht, sie bequemer zu betten, aber sie meinte nur, sie liege gut genug, um zu sterben. Dieser letzte Widerspruch der Mutter gegenüber ihrem so anders denkenden Sohn spiegelt noch einmal das schwierige Verhältnis der beiden. Im Gegenzug folgte er nicht restlos ihrem letzten Willen, der besagte, dass keine Mitglieder der Familie oder des Hofes ihrem Begräbnis beiwohnen sollten. Zumindest die männlichen Habsburger folgten dem Sarg, als er am 3. Dezember in der Kaisergruft zur letzten Ruhe gebettet wurde.

Lesen Sie mehr über Maria Theresia im gedruckten Magazin.

Titelseite der vierten Ausgabe mit dem Stephansdom
Inhaltsverzeichnis der vierten Ausgabe

Abo-Bestellformular