Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Die Denkmäler der Wiener Hofburg«

von Johann Szegő

Kaiser Ferdinand I. wurde 1838 in Mailand zum König des lombardo-venetianischen Königreiches gekrönt. Zu seinem Programm gehörte auch ein Besuch im Atelier des Bildhauers Pompeo Marchesi, der gerade mit einem Denkmal für die Stadt Graz beschäftigt war. Kaiser Ferdinand und seiner Begleitung müssen Marchesis Arbeiten gefallen haben, denn sie beauftragten ihn, Ferdinands Vater Kaiser Franz zu verewigen. Marchesi nickte freudig, ging an die Arbeit und erschien drei Jahre später mit vier Modellen in Wien. An diesen vier Modellen hatte natürlich seine gesamte Werkstatt mitgearbeitet: 31 Personen! Die Kaiserdenkmalbegutachtungsoberkommissionszentralabteilung in Wien entschied sich für den als antiken Herrscher dargestellten Kaiser Franz. Marchesi lieferte, wie ihm geheißen, kassierte 297.200 Gulden (Kaufwert heute über sechs Millionen Euro) und bezahlte seine Angestellten, nämlich sechs Tischler, vier Schnitzer, zehn Bildhauer, fünf Gipsformer, fünf Zeichner und einen Lackierer.

Nebenbei bemerkt: Die Wiener Bildhauer waren natürlich enttäuscht, weil dieser Auftrag an einen Nichtwiener ergangen war. Aber so einen aufwändigen Betrieb mit einer Unzahl von Mitarbeitern wie Marchesi hat niemand von seinen Wiener Kollegen gehabt.

Das Monument wurde am 16. Juni 1846 im Inneren Burghof aufgestellt. Warum gerade an diesem Tag? Lesen wir den damaligen Zeitungsbericht: »Dieser Tag war als der Jahrestag des Einzuges gewählt worden, welchen der verewigte Monarch im Jahre 1814, nach glücklich errungenem Frieden in die Haupt- und Residenzstadt Wien gehalten hatte.« Ja, ja, Franz I. kam 1814 aus Paris als Triumphator zurück: Napoleon (übrigens sein Schwiegersohn) besiegt! Dass der Besiegte einmal noch kurz zurückkehren sollte, konnte man 1814 noch nicht wissen. Bei der Enthüllungszeremonie hielt Staatskanzler Metternich eine schöne Rede, zuletzt wandte er sich an den Kaiser: »Geruhen Eure Majestät nunmehr die Enthüllung des Standbildes zu befehlen.«

Ferdinand geruhte zu befehlen. Nachher stellte er noch fest: »Ich bin überzeugt, dadurch den Wünschen und Gefühlen meiner getreuen Unterthanen entgegen gekommen zu sein.«

Zwei Jahre später, im Revolutionsjahr 1848, wollten allerdings die nicht getreuen Untertanen Ferdinands das Franzensdenkmal demolieren. Aber es widerstand den Demolierungswünschen!

Sollten Sie vor dem Monument stehen, entdecken Sie einen schönen lateinischen Satz: »Amorem meum populis meis«. Eine Übersetzung aus dem in deutscher Sprache verfassten Testament des Kaisers Franz: Meine Liebe vermache ich meinen Völkern.

Franzens Bruder, Erzherzog Carl, führte dem angeblich unbesiegbaren Napoleon 1809 bei Aspern eine militärisch bedeutungslose, aber psychologisch ungemein wichtige Niederlage zu: Der Ruf der Unbesiegbarkeit des Korsen war weg. Dem siegreichen Erzherzog sollte im Mai 1859, also am 50. Jahrestag dieser Schlacht, ein Denkmal gestellt werden. Franz Joseph erteilte bereits 1853 dem aus Erfurt stammenden Dominik Anton Fernkorn den Auftrag, ein Reiterdenkmal anzufertigen. Den Sockel sollte Eduard van der Nüll liefern. Mitten in der Arbeit erlitt Fernkorn seinen ersten Schlaganfall. Er arbeitete aber weiter und konnte Franz Joseph sogar zu einer Erhöhung der vorgesehenen Kosten bewegen. Außerdem gelang ihm eine technische Meisterleistung, nämlich der Freisprung des Pferdes! Das gesamte Gewicht des tonnenschweren Denkmals ruht nur auf den zwei Hinterbeinen des Pferdes, also auf nur wenigen Quadratzentimetern. Die Vorderpartien des springenden Pferdes sind dünner als die hinteren Teile – grandios! Nur eines gelang Fernkorn nicht: Die fristgerechte Fertigstellung. Statt 1859 wurde das Denkmal auf dem Heldenplatz erst 1860 feierlich enthüllt. 1860 – das hieß: bereits nach der Niederlage in der Schlacht von Solferino, nach dem Verlust der Lombardei. Und jetzt verstehen wir jenen Satz, der das Denkmal ziert: Dem beharrlichen Kämpfer für Deutschlands Ehre. Heute ist man geneigt, hinter diesem Satz deutschnationales Gedankengut zu vermuten. Keine Spur davon. Blicken wir ins Jahr 1860 zurück: Den Deutschen Bund hat es noch gegeben, die Führungsrolle war aber ungeklärt: Bleibt es bei der traditionellen Dominanz der leicht angeschlagenen Habsburger oder übernimmt die jüngere Kraft, das preußische Haus Hohenzollern, das Szepter? In diesem Sinne sollte Carl verherrlicht werden: Der einst beharrliche (und erfolgreiche) Kämpfer für Deutschlands Ehre. Die Führungsrolle steht also der Familie dieses beharrlichen Kämpfers zu!

Gegenüber dem Reiterstandbild des Erzherzogs Carl sehen wir das Denkmal des Prinzen Eugen. Enthüllt 1865. Auch ein Werk Fernkorns – aber wir müssen leider feststellen: Ab 1862 war Fernkorn nicht mehr arbeitsfähig, die Ausführung oblag seinem Schüler Franz Pönninger. Fernkorn beging Selbstmord, weil ihm diesmal der Freisprung des Pferdes (so wie bei Erzherzog Karl) nicht gelungen war – hört man oft. Stimmt nicht! Es haben leider genug Künstler in Wien Selbstmord verübt, aber doch nicht alle. Fernkorn starb nach mehreren Schlaganfällen in der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt.

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