Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Wenig Bekanntes in Wien«

von Christa Bauer

Redewendungen

»Das kommt mir spanisch vor!«

Vermutlich stammt diese Redewendung aus der Zeit Kaiser Karls  V. bzw. seines Bruders, dem späteren Kaiser Ferdinand  I., der bei seinen Großeltern in Spanien aufwuchs. Nach dem Tod Kaiser Maximilians  I. im Jahr 1519 herrschte er als Erzherzog in den österreichischen Erblanden und residierte in Wien. Natürlich brachte Ferdinand nicht nur seine spanischen Berater mit, so manche spanische Tradition fand ebenfalls Eingang am Wiener Hof, denn Ferdinand reformierte seinen Hofstaat nach spanischem Vorbild. Dazu gehörte das spanische Hofzeremoniell, das sich in Burgund entwickelt hatte. Der spanische Königshof war im 16. Jahrhundert vorbildgebend in Europa, spanische Kultur, Mode und Sitten wurden überall nachgeahmt. Dazu gehörten unter anderem das Tragen schwarzer Kleidung und die »spanische Reverenz«, also eine tiefe Verneigung vor dem Herrscher, die ihm auch zustand, wenn nur sein Name genannt wurde. In Wien fanden manche dieser Sitten allerdings wenig Verständnis, das steife Hofzeremoniell empfand man als übertrieben und teilweise unverständlich – es kam einem eben »spanisch« vor.

 

Einen weiteren Höhepunkt fand das spanische Hofzeremoniell unter Kaiser Karl  VI., der eine auffällige Vorliebe für die spanischen Traditionen hatte: So zelebrierte er viermal jährlich das »öffentliche Speisen«, wobei sein Tisch erhöht unter einem Thronhimmel stand und Bogenschützen sowie Leibwächter Ehrenwache hielten. Die Trinkbecher wurden ihm von hohen Würdenträgern kniend gereicht, diese trugen auch die Speisen auf. Kein Wunder, dass auch dieses Ritual manchmal auf Unverständnis stieß. Erst unter Maria Theresia wurde das spanische Hofzeremoniell gelockert und unter Kaiser Joseph  II. endgültig abgeschafft. Die Redewendung hat sich aber für etwas, das seltsam zu sein scheint, bis heute erhalten.

 

Grant, grantig sein

 Sicher ist es nicht, aber den »Grant« haben wir vielleicht auch den Spaniern zu verdanken. Das Wort steht in Österreich und Bayern sprichwörtlich für Zorn oder Missmut, davon leiten sich die Wörter »Grantler« oder »Grantscherben« für einen ständig missgelaunten Menschen ab. Viele am Wiener Hof tätigen Spanier waren »Granden«, also spanische Adelige, die in Wien oft durch ihr humorloses und unnahbares Verhalten auffielen, womit sie sich naturgemäß nicht gerade beliebt machten. Den Wienern erschienen sie äußerst missmutig und ständig schlecht gelaunt – und daraufhin wurde der »Grande« zum »Grantler«. 

 

 

 

 

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