Leseprobe
Auszug aus dem Artikel
»Vom Dornröschenschlaf zum Hotspot«
von Katharina Trost
Schloss Schönbrunn war nicht nur Sommerresidenz, sondern ebenso Schauplatz vieler prunkvoller Feste und historischer Ereignisse – das änderte sich auch nach dem Fall der Monarchie nicht.
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Bis heute ist die Große Galerie Schauplatz für Staatsbesuche der unterschiedlichsten Art. 1960 speiste hier der Schah von Persien, Reza Pahlawi, ein Jahr darauf empfing die österreichische Regierung auf neutralem Boden den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy gemeinsam mit dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow. Königin Elisabeth II. besichtigte die Habsburger-Residenz bei ihrem bisher einzigen Besuch der Alpenrepublik im Jahre 1969.
In jüngster Zeit fand während Österreichs EU-Ratspräsidentschaft 2006 ein Abendessen für alle anwesenden Regierungschefs statt. Schon anlässlich der EU-Erweiterung zwei Jahre zuvor spielten die Wiener Philharmoniker im Garten vor tausenden Menschen – via TV live in die Welt übertragen – das »Konzert für Europa«. Das mittlerweile unter dem Namen »Sommernachtskonzert« zur lieben Tradition avancierte Event ist heuer wegen der Corona-Krise für den Herbst geplant.
Aber Schloss Schönbrunn diente nicht nur als Kulisse für Nachrichten und Musikveranstaltungen, sondern natürlich auch für den Film. Allen voran ist die »Sissi«-Trilogie (1955 – 57) mit Romy Schneider zu nennen, wobei tatsächlich nur ganz wenige Szenen hier gedreht wurden, etwa im Schlosspark oder in der Großen Galerie. Der eine oder andere spricht – nicht nur auf der Leinwand, sondern bis in die Gegenwart – das leicht nasale Schönbrunner Deutsch. Der Soziolekt mit seinen typischen Dehnlauten hatte sich bereits Ende des 18. Jahrhunderts am Habsburgerhof entwickelt und galt als typische Sprache des Adels, später auch des Großbürgertums. In alten Filmen hört man diese heute fast schon im Aussterben begriffene Art des Wienerischen noch sehr häufig.
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich in einem ehemaligen Palmenhaus an der Schlossmauer bei der Maxingstraße als eines der ersten Studios überhaupt das Schönbrunn Filmatelier etabliert, das über die Jahrzehnte eine sehr wechselhafte Geschichte erfuhr. Heute wohnen dort in der neu adaptierten ORANG.erie die Orang-Utans vom Tiergarten Schönbrunn.
Apropos Wohnen: Im Hauptgebäude und in den zahlreichen Nebentrakten werden immer noch fast 150 zwischen 50 und 195 Quadratmeter große Wohneinheiten zu ortsüblichen Preisen vermietet. Wer schon immer einmal in imperialem Ambiente übernachten wollte, kann dies in der »Schloß Schönbrunn Grand Suite« tun – auf großzügigen 167 Quadratmetern inklusive Salon, zwei Schlafzimmern, Wohnzimmer, zwei modernen Bädern sowie einer Kitchenette ab 519 Euro pro Nacht. Zu den ständigen Mietern des Schlosses gehört seit 1998 der ungarische Komponist Sylvester Levay, der mit dem Musical »Elisabeth« der einstigen »Hausherrin« Sisi ein würdiges Denkmal gesetzt und einen Welterfolg geschaffen hat. Im Ehrenhof – also quasi am Originalschauplatz – ist für nächstes Jahr wieder einmal eine Open-Air-Aufführung geplant.
Ebenfalls seit vielen Jahren lebt hier Robert M. Tidmarsh, pensionierter Leiter der Schauräume. Der unter allen Kollegen als »Bobby« bekannte und allseits beliebte Brite arbeitete bereits seit 1974 als Guide für das Schloss und hat seine Erinnerungen und viele Anekdoten im Buch »Mein Leben in Schönbrunn« festgehalten. Etwa die Geschichte von einer Putzfrau, die nach einem abendlichen Empfang die Beletage reinigen musste und sich dann einfach erschöpft zum Schlafen in ein Bett in den Schauräumen gelegt hat. Erst als am nächsten Morgen die erste Touristengruppe während einer Führung in das Zimmer kam, ist sie aufgewacht.
Viel hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Organisation getan. Ursprünglich lag die Verwaltung in den Händen der Schlosshauptmannschaft, seit 1992 ist die Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebs Ges.m.b.H. (SKB) im Auftrag des Staates für die Erhaltung und Revitalisierung zuständig. Zu den ihr anvertrauten Kulturgütern gehören nicht nur das Schloss Schönbrunn und das 2002 gegründete Kindermuseum, sondern auch das Sisi Museum, die Kaiserappartements und die Silberkammer in der Wiener Hofburg, das Hofmobiliendepot sowie Schloss Hof und Schloss Niederweiden. Die Kaiserliche Wagenburg in der ehemaligen Winterreithalle – eine Sammlung von historischen Kutschen und Monturen – wird hingegen vom Kunsthistorischen Museum verwaltet.
2019 war für die SKB ein Rekordjahr: Mit rund 4 255 000 Eintritten wurde erstmals die Vier-Millionen-Grenze überschritten, damit bleibt das seit 1996 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannte Schloss Schönbrunn die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Österreichs. 2020 werden die Ergebnisse wohl nicht so rosig aussehen, denn aufgrund der mehrwöchigen Schließung durch die Corona-Krise befand sich das märchenhafte Schloss Schönbrunn nach vielen Jahrhunderten wieder einmal im Dornröschenschlaf.
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