Leseprobe
Auszug aus dem Artikel
»Der Bürgermeister und der Steinmetz«
von Carles Batlle i Enrich
Das majestätische Gebäude des Wiener Rathauses ist das Werk zweier außergewöhnlicher Persönlichkeiten: des polyglotten Bürgermeisters Cajetan Felder und des deutschen
Architekten Friedrich Schmidt. Das Rathaus ist aber bei weitem nicht ihre einzige Großtat.
Im Mai des Jahres 2021 wurde in den Medien daran erinnert, dass vor 200 Jahren eine der umstrittensten Persönlichkeiten der europäischen Geschichte auf einer einsamen Kleininsel inmitten des Südatlantiks verstarb: Napoleon Bonaparte. Trotz einiger Verdienste in Richtung Modernisierung der Gesellschaft hatte er halb Europa mit Tod und Verwüstung heimgesucht, und zwar von Russland bis zur Iberischen Halbinsel, von den südlichen Niederlanden bis nach Ägypten. Nach seiner ersten Entmachtung im April 1814 wurde beschlossen, einen Kongress in Wien abzuhalten, um Europa neu zu ordnen. Die offizielle Eröffnung des Kongresses fand zwar am 1. November statt, aber schon im Laufe des Septembers kamen die Hauptakteure nach Wien. Kaum waren die ersten Gäste da, kam am 19. September 1814 in der Wiedner Vorstadt, in unmittelbarer Nähe der Karlskirche, der erste Sohn eines Protokollisten der niederösterreichischen Landrechte namens Matthias Georg Felder auf die Welt – das Kind wurde auf den Namen Cajetan getauft. Großvater Josef Felder stammte aus Siggen in Oberschwaben, einer Ortschaft am Rande des Allgäus, etwa 30 Kilometer nordöstlich vom Bodensee entfernt. Als Schuster war er 1772 nach Wien eingewandert und hatte die Werkstatt eines verstorbenen Kollegen übernommen. 1780, im Todesjahr Kaiserin Maria Theresias, wurde sein Sohn Matthias geboren, und da er inzwischen einen gewissen Wohlstand erreicht hatte, konnte die nächste Generation eine Beamtenlaufbahn einschlagen. Matthias heiratete eine gewisse Antonie Zrza aus Mähren, Tochter eines Gutsverwalters. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor: Nach Cajetan kam 1816 Eduard auf die Welt.
Die Familie übersiedelte bald in die Vorstadt Landstraße und wohnte in der Ungargasse. Cajetan wurde zuerst privat unterrichtet, kam aber 1820 in die Pfarrschule St. Rochus. Fast könnte man sagen, dass es sich um eine biedermeierliche Familienidylle handelte, mit schönen Ausflügen am Sonntag und wunderbaren Sommern in Baden, wo ein Großonkel eine Gastwirtschaft betrieb. Cajetans gute Schulleistungen kamen 1822 durch ein tragisches Ereignis bald ins Stocken, denn die Mutter erlag einer Typhuserkrankung. Da der Vater ihr nur vier Jahre später ins Grab folgte, kamen die Söhne in die Obhut des mährischen Onkels Franz Zrza. Dieser bewies Weitblick und schickte Cajetan 1827 für drei Jahre ins Stiftsgymnasium Seitenstetten. Dort bekam er nicht nur eine solide Ausbildung, sondern eine ausgezeichnete Kost; noch im hohen Alter erinnerte er sich gerne an diese Zeit.
Im fernen Schwaben war inzwischen Friedrich, der Sohn des evangelischen Pastors zu Frickenhofen, Johann Heinrich Schmidt, und der Christiana Sibylla (geborene Härling) am 22. Oktober 1825 geboren worden. Die Ortschaft, auf halber Strecke zwischen Schwäbisch Hall und Schwäbisch Gmünd gelegen, gehörte seit 1806 – wie die Heimat von Felders Großvater – zum durch Napoleons Gnade entstandenen Königreich Württemberg.
Aber zurück zu Cajetan Felder: 1830 kam er für vier Jahre zum Onkel in die mährische Hauptstadt Brünn und besuchte dort das Deutsche Staatsgymnasium, wo er maturierte, und die Philosophische Lehranstalt. Anschließend lebte er bei einem anderen Vormund (einem Amtskollegen seines Vaters namens Weitzinger) in der Schönlaterngasse in Wien. Hier begann er mit dem Rechtsstudium an der Universität.
Felders Leidenschaften traten nun immer mehr zutage: die Fremdsprachen und das Wandern. Aus familiären Gründen mit dem Tschechischen vertraut, hatte er in Seitenstetten Griechisch und Latein erlernt; im Laufe seines Lebens gesellten sich mehrere romanische Sprachen dazu (Italienisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch) sowie germanische (Englisch, Niederländisch, Dänisch und Schwedisch) und orientalische (Türkisch, Persisch und Arabisch), sodass er sich in etwa ein Dutzend Sprachen fließend unterhalten konnte. Die andere Leidenschaft wurde durch eine damals sehr bekannte Lektüre entfacht: »Der Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802«. Es handelt sich um ein Werk des kulturhistorischen Reiseschriftstellers Johann Gottfried Seume, ein kursächsischer Autor, der sich für die Freiheit der Völker und des Einzelnen einsetzte. Er hatte die 6 000 Kilometer lange Strecke von Leipzig nach Syrakus und retour fast nur zu Fuß zurückgelegt, und Felder wollte es ihm nachmachen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis er eine Rundreise über Triest, Venedig, Bozen und Salzburg in nur zwei Monaten erledigte. Eine zweite führte ihn über Tirol in die Schweiz, nach Bayern, Sachsen und Böhmen, wo er in Teplitz das Grab Seumes besuchte.
Nur die Liebe konnte ihn kurz einbremsen: Er verliebte sich 1838 in Josefine Sowa, die Gesellschafterin seiner Brünner Tante. Sie war die Tochter eines Arztes aus dem mährischen Wischau (tsch. Vyškov). Aber bald unternahm er eine zehnmonatige Reise nach Italien (bis Sizilien), Frankreich, England, Deutschland und Böhmen. Dann musste er 1839 das Gerichtspraktikum in Brünn absolvieren, wo er nahe an seiner Angebeteten sein konnte, bevor er bei einem Wiener Advokaten eine Stelle bekam, die ihm allerdings nicht sonderlich behagte. Erst nach der Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften im März 1841 konnten Cajetan und Josefine endlich heiraten. Sie gaben sich das Jawort im Mai in der Kirche Am Hof und übersiedelten in eine bescheidene Wohnung auf der Wieden. Das Paar bekam drei Kinder: Rudolf, der mit dem Vater eng zusammenarbeitete, eine Tochter und einen weiteren Sohn, der aber früh verstarb. Unter den Fällen, die Felder als Rechtsanwalt bearbeitete, sticht einer hervor: das Konkursverfahren der Privatbank Geymüller, das auch andere Banken mit in den Abgrund riss und als erster österreichischer Börsenkrach gilt.
Zu diesem Zeitpunkt war Friedrich Schmidt in Stuttgart, wo er von 1840 bis 1843 eine Steinmetzlehre im Polytechnikum absolvierte, dem Vorläufer der heutigen Universität. Nebenbei begann er mit dem selbstständigen Studium der schwäbischen Gotik, was ihn wahrscheinlich dazu brachte, sich für die Kölner Dombauhütte zu interessieren. Nachdem auf dem Wiener Kongress das Rheinland dem Königreich Preußen zugesprochen worden war, hatte man 1823 wieder eine Dombauhütte in Köln begründet, die zuerst nur mit Restaurierungen beschäftigt war. Die Kathedrale war verfallen, es zeigten sich bedrohliche Risse, und viele Elemente waren verwittert oder verschwunden. 1842 legte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. den Grundstein zum Weiterbau des Hohen Domes St. Petrus unter der Leitung des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner. Die Kölner Dombauhütte war damals sicherlich der aufregendste und lehrreichste Arbeitsplatz für einen angehenden Steinmetz. Seine protestantische Konfession und zunehmende Differenzen mit dem Dombaumeister verbauten Schmidt aber nach und nach eine Zukunft in Köln.
Auf dem Weg zum Erfolg
Schon 1847 konnte Felder eine eigene Kanzlei (samt Wohnung) in der Alservorstadt eröffnen. Dann brach die Revolution aus. Nun kam Felder zum ersten Mal in Kontakt mit der Politik und kandidierte fürs Stadtparlament; er wurde zwar gewählt, aber als die Revolution scheiterte, zog er sich aus der Politik wieder zurück. Während der Kaiser versuchte, das Rad der Zeit zurückzudrehen und erneut den Absolutismus einführte, widmete sich Felder seinen Leidenschaften. Neben den wiederaufgenommenen Wanderungen, die ihn zu den Kulturstätten der Antike (Griechenland, Rom, Ägypten, das Heilige Land und Mesopotamien) und anderen entlegenen Gegenden wie den Kapverdischen Inseln, den Azoren, Madeira und das Nordkap führten, muss man auch das Sammeln von Büchern und die Entomologie erwähnen. Bis zu seinem Tod hatte er eine Bibliothek von mehr als 10 000 Exemplaren – alle übrigens in einem hervorragenden Zustand – und eine Sammlung von Käfern und Schmetterlingen von Weltruf zusammengetragen. Die Insektenkunde, die ihn schon als Kind und Jugendlicher fasziniert hatte, brachte ihn dazu, zusammen mit seinem Sohn Rudolf die Schmetterlinge der Novara-Expedition (einer Initiative von Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem Bruder des Kaisers) auszuwerten. Als anerkannter Entomologe wurde Felder 1860 Mitglied der deutschen Academia Leopoldina und 1870 ordentliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Über die Familie Rothschild kam seine Sammlung ins Londoner Naturhistorische Museum, wo sie heute noch aufbewahrt wird.
Im Falle Schmidts scheint die Revolution keine großen Auswirkungen gehabt zu haben; im selben Jahr bestand er die Meisterprüfung als Steinmetz, danach bildete er sich als Baumeister weiter und legte 1856 die Abschlussprüfung an der Berliner Akademie ab. Schon 1849 hatte er Katharina Mohr geheiratet, die ihm zwei Kinder gebar: Heinrich (den zukünftigen Architekten) und Frida. Bald arbeitete Schmidt freiberuflich an diversen Projekten und nahm am 1854 ausgeschriebenen Wettbewerb zum Bau der Wiener Votivkirche teil. Er bekam zwar nur den dritten Preis, gewann aber die Protektion des Initiators, des Erzherzogs Ferdinand Maximilian. Dieser wurde 1857 Generalgouverneur des Königreichs Lombardo-Venetien und verschaffte Schmidt den Posten eines Professors für mittelalterliche Architektur an der Mailänder Akademie der Schönen Künste. Da aber die Lombardei bereits 1859 nach den verlorenen Schlachten von Magenta und Solferino an Frankreich abgetreten werden musste, kam Schmidt nach Wien und wurde Professor für mittelalterliche Kunst an der Akademie der bildenden Künste.
Genau diese militärischen Niederlagen bewirkten eine Liberalisierung im politischen Leben. Für 1861 wurden in Wien Gemeinderatswahlen angesetzt; Felder – inzwischen in der Josefstädter Lenaugasse 19 wohnhaft – beschloss, wieder in die Politik einzusteigen. Als erster liberaler Bürgermeister wurde Andreas Zelinka gewählt. Dieser stammte aus dem mährischen Wischau, derselben Stadt wie Felders Frau, hatte wie Felder am Brünner Staatsgymnasium maturiert und in Wien Jus studiert. So verwundert es nicht, dass Felder als Vizebürgermeister nominiert und gewählt wurde. Er war Zelinkas rechte Hand; in seiner Funktion konnte er nicht nur viel Erfahrung sammeln, er beschäftigte sich schon mit wichtigen Vorhaben, die er später als Nachfolger verwirklichen konnte. Zudem wurde er 1863 ein vermögender Mann, nachdem er zum Vormund des Erben der Schwechater Bierbrauerei eingesetzt wurde. Als Leiter der Brauerei war er nun finanziell unabhängig und konnte seinen Beruf als Anwalt aufgeben; er behielt nur wenige ausgewählte Kunden.
Aber auch für Schmidt lief es rund: Nachdem er zum Katholizismus konvertiert war, bekam er die Stelle als Mitglied der k. k. Central-Comission (Vorläufer des heutigen Bundesdenkmalamtes) und der Dombaukommission. Nach dem Tod von Leopold Ernst 1862 wurde er sogar dessen Nachfolger als Dombaumeister von St. Stephan.
Auf dem Höhepunkt des Ruhmes und der Macht
Friedrich Schmidt befand sich auf einem der meistbegehrten Posten für einen Architekten in Wien. Die Erfahrungen, die er in Köln gesammelt hatte, prädestinierten ihn geradezu für mehrere geplante Restaurierungsprojekte in St. Stephan. Das wichtigste war schon im Gange: die zweite Erneuerung der Turmspitze, nachdem die erste Renovierung wenige Jahre davor misslungen war. Die Methoden Schmidts (im Gegensatz zu denen des Vorgängers) erwiesen sich als richtig. Dazu gestaltete er die Türmerstube neu und ließ die Uhr entfernen, sodass der Steffl seine jetzige Gestalt annahm. Ebenso mussten die Giebel des Langhauses am Stephansplatz erneuert werden. Diese und noch viele andere Arbeiten, wie der Einbau neugotischer Glasfenster und unzähliger neuer Werkstücke und Figuren, sind dafür verantwortlich, dass Schmidt zu den herausragendsten Baumeistern in der langen Geschichte des Domes zählt. Unter den Profanbauten Schmidts aus dieser Zeit sticht das Gebäude des Akademischen Gymnasiums am Beethovenplatz (ab 1863) hervor, obwohl seine Schöpfungen meistens Kirchen sind: die Lazaristenkirche beim Westbahnhof ab 1860, die Brigittakirche in der Brigittenau, St. Othmar unter den Weißgerbern auf der Landstraße ab 1866 und die sehr markante Kirche Maria vom Siege in Fünfhaus ab 1868.
In diesem Jahr starb unerwartet Bürgermeister Zelinka, und am 20. Dezember 1868 wurde Cajetan Felder zum Wiener Bürgermeister gewählt. Gleichzeitig wurde er zum Landmarschall-Stellvertreter im niederösterreichischen Landtag (heute würden wir Vizepräsident sagen) und vom Kaiser zum lebenslangen Mitglied des Herrenhauses ernannt. Somit war er in allen Ebenen der Macht vertreten und konnte das zu seinen Gunsten nützen. Da er schon seit bald acht Jahren in unzähligen Rathaus-Kommissionen saß und viel Vorarbeit geleistet hatte, konnte er nun rasch ans Werk gehen. Unter den vielen Arbeiten Felders muss man in aller Kürze vor allem folgende besonders rühmen: ab 1869 den Bau des multikonfessionellen Zentralfriedhofes am Rande Simmerings, der heute noch der zweitgrößte Europas ist; ab 1870 den Bau der ersten Hochquellenleitung, einer 95 km langen technischen Meisterleistung, die heute noch fast die Hälfte der Stadt mit hervorragendem Wasser aus den niederösterreichischen und steirischen Alpen versorgt; ab 1871 die langersehnte Donauregulierung, die Überschwemmungen zu einem Großteil verhinderte; ab 1872 den Bau des Neuen Rathauses auf dem Exerzier- und Paradeplatz in Zusammenarbeit mit Friedrich Schmidt als Architekten (siehe vorherigen Artikel), der die öde Gegend in eine blühende und äußerst elegante Landschaft verwandelte; schließlich die Weltausstellung von 1873 im Pratergelände, die 53 000 Unternehmer aus 35 Ländern (darunter zum ersten Mal das aus der Selbstisolation ausbrechende Japan) in 194 Pavillons präsentierte. Trotz des finanziellen Misserfolges und des kurz nach der Eröffnung platzenden Börsenkrachs war die Weltausstellung die Sternstunde Cajetan Felders, denn er konnte die meisten Delegationen in ihren Sprachen begrüßen und begleiten, was international äußerst positiv wahrgenommen wurde.
Die Folgen des Börsenkrachs und das Entstehen der modernen Blöcke links und rechts der Liberalen verschoben langsam die politischen Verhältnisse. Trotzdem wurde Felder nach 1871 noch zwei Mal im Amt bestätigt: 1874 und 1877. Sein autokratischer Stil, der eher seiner Standfestigkeit und dem Abschwören jedes Opportunismus geschuldet war, schuf ihm viele Feinde, auch und gerade in der eigenen Partei. Am 28. Juni 1878 trat Felder von seinem Amt zurück; zu seinem Bedauern wurde sein Rivale Julius Newald als Nachfolger gewählt.
Währenddessen setzte Schmid seine Arbeiten unermüdlich fort. Seit 1864 österreichischer Staatsbürger, hatte er nicht nur mit seinen Bauten im In- und Ausland zu tun; neben seiner Professur leitete er ab 1865 eine Spezialklasse an der Akademie, erhielt aber auch einige Titel und Auszeichnungen: 1865 Oberbaurat, 1866 Mitglied des Wiener Gemeinderats, 1867 Ritterkreuz des Leopoldordens, 1872/74 und 1876/78 Rektor der Akademie … Nicht realisieren konnte er allerdings das Projekt zum Ausbau des Nordturmes von St. Stephan, das er für die Weltausstellung konzipiert hatte.
Die letzten Jahre
Cajetan Felder wurde zum Ehrenbürger ernannt und in den Freiherrenstand erhoben, aber er hatte sich den Rückzug aus der Politik anders vorgestellt. Bruder und Sohn waren bereits 1864 bzw. 1871 früh verstorben, seine Tochter hatte 1868 geheiratet und wohnte in der Ferne, sodass er sich zumindest eine ruhige Pension an der Seite seiner Gattin erhofft hatte – aber Josefine Felder verstarb schon 1879. Um ihn aufzumuntern, wurde ihm 1880 der Posten des Landmarschalls von Niederösterreich angeboten, den er sehr gerne annahm. Da er aufgrund des Grauen Stars beinahe erblindete, musste er diesen 1884 niederlegen. In diese Zeit fällt die Eröffnung des Rathauses (1883), bei der er weder eingeladen noch erwähnt wurde! Er zog sich in sein Klosterneuburger Landhaus zurück und begann seine Memoiren zu diktieren. Auf 12 000 Seiten redete er ungewöhnlich offen über seine Kindheit und Jugend, seine Reisen und Forschungen und – besonders brisant – über seine politischen Erfahrungen. Daher verfügte er eine Publikationssperre von 20 Jahren nach seinem Tod; in Wahrheit dauerte es bis 1964, als eine kleine Auswahl in Buchform erschien. Durch eine Operation erlangte Felder in den letzten Jahren immerhin das Augenlicht wieder.
Für Friedrich Schmidt waren die 1880er-Jahre weiterhin von Arbeit erfüllt: Er blieb Dombaumeister bis zu seinem Tod, leitete die Restaurierungsarbeiten an der Stiftskirche Klosterneuburg, baute 1882 das Sühnhaus an der Stelle des abgebrannten Ringtheaters (und übersiedelte dorthin) und hielt sogar Vorlesungen an der Technischen Hochschule. Neben anderen Ehrungen wurde er 1882/84 erneut Rektor, 1883 Ehrenbürger der Stadt, 1886 in den Freiherrenstand erhoben und 1888 Mitglied des Herrenhauses. Es gab also zahlreiche Parallelen im Leben dieser beiden Männer!
Friedrich Freiherr von Schmidt starb am 23. Jänner 1891 im Sühnhaus am Schottenring und erhielt ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof. Auf der großen Steinplatte steht bescheiden: »Hier ruhet in Gott Friedrich Schmidt, ein deutscher Steinmetz.« Cajetan Freiherr von Felder verstarb am 30. November 1894 wenige Wochen nach seinem 80. Geburtstag und wurde auf eigenem Wunsch auf dem Weidlinger Friedhof bei Klosterneuburg begraben.
1896 bekam Schmidt ein recht stattliches Denkmal vor der hinteren Fassade des Rathauses; seit 1966 steht er ohne Balustraden und etwas versteckt an der Ecke zur Felderstraße. Felder wartet heute noch auf ein Denkmal! Immerhin kann man die Büsten von beiden am Eingang zum wunderschönen Festsaal des Rathauses bewundern, ihrem gemeinsamen Werk, das zu einem millionenfach fotografierten Symbol der Stadt Wien geworden ist.
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